Steuerreform: Grundlagen

Steuerreform: Grundlagen
Steuerreform: Grundlagen
 
Das deutsche Steuersystem wird von Experten, Politikern und Bürgern gleichermaßen als unüberschaubar, wachstumsschädlich, ungerecht und daher grundlegend reformbedürftig angesehen. Steuern sind auf der einen Seite zwar unabdingbar, um öffentliche Güter zu finanzieren. Mit der Erhebung von Steuern sind auf der anderen Seite aber Wohlfahrtseinbußen verbunden, weil die Entscheidungen von Haushalten und Unternehmen verzerrt werden.
 
 
Vor diesem Hintergrund sollte eine grundlegende Reform des Steuersystems in Deutschland auf eine Verringerung dieser Wohlfahrtseinbußen abzielen. Die optimale Steuer gibt es allerdings nur in der Theorie. Bei einer pauschalen Kopfsteuer hat jeder Bürger unabhängig von seinem Einkommen und seinem Familienstand einen festen Betrag zur Finanzierung des Staatsbudgets zu zahlen.
 
Diese Steuer wäre zwar optimal im Sinne einer Minimierung der volkswirtschaftlichen Kosten der Besteuerung, da sie eine Überschussbelastung (Excess Burden) vermeidet. Sie würde aus Sicht der Steuerpflichtigen keine relativen Preise verändern und daher keine unnötigen Wohlfahrtseinbußen mit sich bringen. Es ist aber offensichtlich, dass eine solche Kopfsteuer ohne Rücksicht auf die individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen als ungerecht abgelehnt würde.
 
 Ausweitung der Steuerbasis bei Senkung der Steuersätze
 
Ein Ansatz der Steuerreformbemühungen der vergangenen Jahre besteht darin, durch Abbau von Ausnahmetatbeständen die Steuerbasis (Bemessungsgrundlage) der Einkommensteuer zu verbreitern und dadurch Spielraum für Senkungen der Steuersätze zu schaffen. Niedrigere Steuersätze sind ein geeignetes Mittel, die Kosten der Besteuerung zu senken, weil der Steuerkeil, die Differenz zwischen den Preisen vor und nach Steuern, verringert wird.
 
 
In der Finanzwissenschaft wird darüber hinaus im Rahmen der Diskussion über Wohlfahrtswirkungen von Steuern vorgeschlagen, nicht nur Verbesserungen am bestehenden System vorzunehmen, sondern einen Systemwechsel durch die Einführung einer Konsumsteuer (Ausgabensteuer). Bei der Konsumsteuer ersetzen die Konsumausgaben eines Steuerpflichtigen das Einkommen als Steuerbasis. Zunächst ergibt sich der Vorteil, dass die Entscheidung zwischen Konsum in der Gegenwart und Konsum in der Zukunft nicht verzerrt wird, weil anders als bei der Einkommensteuer die Zinserträge nicht mehr steuerpflichtig sind. Auf der Eigenschaft der Nichtdiskriminierung des Sparens ruht auch die Hoffnung, dass eine Konsumsteuer die gesamtwirtschaftliche Ersparnis und Investitionstätigkeit fördern und dadurch das Wachstum erhöhen kann. Des Weiteren führt die Konsumsteuer zu einer gleichmäßigeren und gerechteren Belastung über die gesamte Lebenszeit eines Steuerpflichtigen. Besonders deutlich wird dies am Beispiel eines Spitzensportlers, der nur wenige Jahre Einkommen erzielt. Dessen Einkommen wird in der kurzen aktiven Zeit durch maximale Grenzsteuersätze belastet, obwohl aus diesem Einkommen der Konsum des ganzen Lebens zu bestreiten ist. Bei der Konsumbesteuerung wird hingegen die übermäßige Besteuerung in wenigen Lebensjahren durch eine moderatere Besteuerung über die gesamte Lebenszeit ersetzt. Die Konsumsteuer ist von ihren Verfechtern als direkte Steuer konzipiert. Darin besteht der grundlegende Unterschied zur Mehrwertsteuer, die ja ebenfalls den Konsum belastet. Bei der Konsumsteuer wird der individuelle Konsum eines Haushalts erfasst und der Besteuerung unterworfen. Damit werden wie heute auch bei der Einkommensteuer individuelle Merkmale des Steuerpflichtigen bei der Festlegung der Steuerschuld berücksichtigt. Eine progressive Ausgestaltung der Konsumsteuer ist ohne weiteres möglich. Damit kann der Vorwurf der mangelnden Verteilungsgerechtigkeit, der oft gegen die Mehrwertsteuer erhoben wird, nicht auf die Konsumsteuer übertragen werden.
 
 Ursachen des Reformdrucks
 
Trotz des Konsenses über die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform des Steuersystems gab es bisher nur geringe Fortschritte. Der Druck auf weitere Reformen wird aber aus zwei Richtungen anhalten. In Deutschland zwingt das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber immer wieder zu weit reichenden Reformen, wenn durch die Entwicklung des Steuerrechts Verfassungsgebote eklatant verletzt werden. Ein spektakuläres Beispiel war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verbesserung des Familienlastenausgleichs aus dem Jahr 1999. Weiterer Druck zu Reformen resultiert aus dem internationalen Standortwettbewerb. Das Steuersystem stellt einen wichtigen Standortfaktor dar und gerät daher durch die zunehmende Integration der Weltwirtschaft unter Reformdruck.

Universal-Lexikon. 2012.

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